Die „Tarantel“ in Berlin

Ausstellung „Tarantel – Satire im Kalten Krieg“ in der Stiftung Berliner Mauer

Am 08.12.2021 wurde im Besucherzentrum der Stiftung Berliner Mauer in der Bernauer Straße 119 die Multimedia-Applikation der Agentur zone5 vor Publikum unter 2G+ Bedingungen eröffnet.

Neben Dr. Sabine Kuder von der Bundesstiftung Aufarbeitung und Dr. Jochen Staadt vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin, war auch das Dokumentationszentrum des Bürgerkomitees Magdeburg eingeladen, um zum Empfang ein Grußwort zu halten. Dankend haben wir die Einladung von Herrn Norbert Kerkhey angenommen. Bereits im Sommer 2018 erreichte uns der erste Anruf von Herrn Kerkhey. Er wollte die Ausstellung „Tarantel“ ausleihen und plante die Erstellung einer multimedialen Plattform zur antikommunistischen Satire-Zeitschrift „Tarantel“. Im August 2019 lag dann eine erste Konzeptionierung vor und die Finanzierung durch die Bundesstiftung Aufarbeitung war abgesichert. Ziel der zone5 war es, eine interaktive multimediale Website zu erstellen, die die Erinnerungen des Betroffenen und Zeitzeugen, Prof. Friedhelm Thiedig, an die studentische Widerstandsgruppe Halle, seine Festnahme und Haftzeit, sowie den Inhalt des Satireblatts „Tarantel“ in seinem historischen Kontext für ein breites Publikum erschließt.

Anlässlich des 50. Jahrestages des landesweiten Volks- und Arbeiteraufstandes vom 17. Juni 1953 wurde die Idee geboren, eine Ausstellung mit einem entsprechenden Begleitband zur Entstehungsgeschichte und Wirkung der satirischen und antikommunistischen Zeitschrift „Tarantel“ zu entwickeln.

Dieses Vorhaben wurde 2003 vom Bürgerkomitee Magdeburg in Kooperation mit der damaligen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, Edda Ahrberg, und der Landesgruppe Sachsen-Anhalt der Vereinigung für die Opfer des Stalinismus umgesetzt. In ihrer Funktion als Bürgerkomitee-Mitglied und Landesbeauftragte pflegte sie intensive Kontakte zu den Betroffenen und Zeitzeugen Thomas Neubert, Achim Beyer, Prof. Friedhelm Thiedig, Wolfgang Stiehl und Walter Schulz-Heidorf, denen die Ausstellung und der Begleitband gewidmet sind. 2002 trat Frau Ahrberg mit dem ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur Walter Schulz-Heidorf, alias „Wolfram Wolf“ in Kontakt und erkundigte sich nach der Quellenlage. Alle 124 monatlichen Ausgaben, sechs weitere Ausgaben im gleichen Format, rund 25 mehrseitige Zeitschriften im Zeitungsformat, vier Illustrierte und sieben Chroniken oder Comicserien von größerer Seitenzahl – alles natürlich Tarantel-Satire –, sowie dutzende Klebe- und Wurfzettel aus gleicher Produktion wurden Frau Ahrberg im Rahmen der Erstellung der Ausstellungsinhalte von Herrn Schulz-Heidorf zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt und weitgehend von ihr als Bürgerkomitee-Mitglied ehrenamtlich gescannt. Tom Boelcke, der ebenfalls Mitglied im Bürgerkomitee ist, hat schließlich die Scans überarbeitet und sich um die grafische Gestaltung des Begleitbandes bemüht, der ebenfalls zur Ausstellung verfügbar ist. Noch fehlende Ausgaben konnten später für die Begleit-CD mit Hilfe der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ergänzt werden.

Einige Monate später konnte die Ausstellung durch Finanzierung der Landesbeauftragten in einem Umfang von 65 Acryltafeln fertiggestellt werden. Die (erste) Ausstellung portraitierte die Deckblätter aller erschienen Ausgaben, einiger Karikaturen sowie die exemplarischen Schicksale von den Betroffenen Friedhelm Thiedig, Wolfgang Stiehl, Achim Beyer und Thomas Neuber, die aufgrund des Besitzes und der Verteilung der „Tarantel“ inhaftiert worden sind.

Nach Schäden in der Archivlagerung wurde die Ausstellung 2013 inhaltlich überarbeitet und auf 13 Roll-Ups komprimiert. Die heutige Ausstellung beleuchtet die Wirkungskraft der Satire-Zeitschrift „Tarantel“, sowohl aus Sicht der Herausgeber, Leser und Betroffenen, als auch aus Sicht der Staatsorgane der ehemaligen DDR.

Fotos: Kordula Zollenkop, Anna Skiba