25. Bundeskongress der Landesbeauftragten

„Aufarbeitung – Ein bleibendes Thema für Betroffene, Gesellschaft und Politik“

Vom 20. bis 22. Mai 2022 fand der Bundeskongress der Landesbeauftragten und der Bundesstiftung Aufarbeitung unter dem oben genannten Leitthema in Rostock statt.

[…] mit dem Ende des SED-Staates begannen die Debatten um die Anerkennung von Unrecht, die strafrechtliche Verfolgung der Täter sowie die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer. Die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze von 1992/1994 und ihre Novellierung 2019 sind in jedem Fall Meilensteine auf diesem Weg, die zum Teil hart erkämpft werden mussten, nicht zuletzt von den Aufarbeitungsinitiativen und Betroffenenverbänden. Dennoch sind eine Reihe von Wunden und Narben zurückgeblieben, die viele immer noch schmerzen. Vor 30 Jahren trat das 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz in Kraft. Aus diesem Anlass will der diesjährige Bundeskongress gemeinsam mit Politikern, Juristen, Historikern, Psychologen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen drei großen Fragen nachgehen: Welche Formen der Aufarbeitung stehen Politik, Gesellschaft und dem Einzelnen zur Verfügung? Was braucht es neben juristischer Aufarbeitung und nanzieller Entschädigung? Wie gelingt es, mit dem erfahrenen Unrecht und den erlittenen Verletzungen zu leben? Dabei soll es in erster Linie um die Erfahrungen mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur gehen. Aber auch von einem Blick in andere Länder, in denen großes Unrecht geschehen ist, sei es im ehemaligen Ostblock oder anderen Diktaturen, erhoffen wir uns neue Perspektiven und Anregungen.“ (Info der Veranstalter)

Auch in diesem Jahr nahm das Dokumentationszentrum am Moritzplatz am Bundeskongress der Landesbeauftragten teil. Am 20.05.2022 eröffneten die Landesbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern, Anne Drescher, und Dr. Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung, den diesjährigen Bundeskongress. Den einführenden Festvortrag hielt die Schriftstellerin und Psychologin Helga Schubert, die zwischen 1976 und 1989 vom Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR überwacht worden ist. Auch literarisch-charmante Weise diskutierte sie, inwiefern „die Diktatur als Täterin“ gelten kann.

Am 21. Mai eröffnete Hans-Joachim Hacker als ehemaliges Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages den Tag mit einem Rückblick auf 30 Jahre SED-Unrechtsbereinigungsgesetze und welche Chancen und Herausforderungen seit deren Novellierung 2019 noch weiterhin zu berücksichtigen sind. Thomas Bardenhagen gewährte dem Publikum anschließend Einblick in seine Arbeit als Staatsanwalt in Schwerin. Ist die Aufarbeitung des SED-Unrechts durch die Justiz ein Erfolg? – Nein. So findet Bardenhagen, der in den 1990 und 2000er Jahren selbst strafrechtliche Verfahren gegen ehemalige MfS-Angehörige geführt hat und dabei immer wieder an juristische Grenzen vor dem Hintergrund der Beweisbarkeit stieß. Als dritte Rednerin des Tages war Prof. Dr. Anja Mihr eingeladen, die durch den DAAD eine Professur an der OSZE Akademie in Bischkek (Kirgisistan) innehat und am beispiel Zentralasiens gezeigt hat, wie unterschiedlich im Gegensatz zur Bundesrepublik die politische Aufarbeitung in postsowjetischen Gesellschaften funktioniert. Am frühen Nachmittag konnten die Kongressteilnehmer schließlich Gesprächsforen mit den drei Referenten des Vormittags besuchen. Besonders eindrücklich war hier der Austausch zwischen den Referenten und den Betroffenen, der richtigerweise im Vordergrund stand. Im Nachgang nahmen die Mitarbeiterinnen des Dokumentationszentrum am Beusch in der Dokumentations- und Gedenkstätte in Rostock teil. Ende der 1950er Jahre hatte der Staatssicherheitsdienst auf dem Gelände der Bezirksverwaltung ein neues Gebäude zum Zweck der Untersuchungshaft eingerichtet. Ab 1960 inhaftierte der Staatssicherheitsdienst hier Bürgerinnen und Bürger der DDR, denen der Strafbestand der „Republikflucht“ zur Last gelegt wurde. Nach dem Besuch der Gedenkstätte wurden die Berichte aus insgesamt 26 Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen vorgestellt. Der Kongresstag schloss mit der Vorführung des Kurzfilmes „Fließende Grenzen“ der Regiesseurin Joana Vogdt.

Der letzteTag des Kongresses wurde mit einem informativen Vortrag von Prof. Dr. Michael Linden, Leiter der Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation der Charité Berlin, eröffnet. Prof. Linden ist selbst im Zusammenhang mit der Rehabilitierung von Betroffenen und die Anerkennung ihrer gesundheitlichen Haftfolgeschäden Gutachter gewesen und definierte vor diesem Hintergrund die Psychologie leidvoller Erinnerungen und Möglichkeiten eines heilsamen Vergessens für Betroffene. Im Anschluss knüpfte Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker mit seinen Ausführungen zum Thema „Historisches Trauma und anhaltende Trauer“ nahtlos an seinen Vorredner an. Im Anschluss moderierte Anne Drescher ein Podiumsgespräch mit Prof. Linden, Prof. Maercker und der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag, Evelyn Zupke, die gemeinsam in den Austausch mit dem Publikum traten.

Zum Abschluss des Bundeskongresses fand eine ökumenische Andacht in der Petrikirche am Alten Markt in Rostock statt.