26. Bundeskongress der Landesbeauftragten

Stagnation und Wandel – Repression und Alltag in der Ära Honnecker

26. Bundeskongress der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung des SED-Unrechts

08. bis 10. September 2023 in Wernigerode

Der diesjährige Bundeskongress hat dazu eingeladen, die Ära Honeckers aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Der Wechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker in der Partei- und Staatsführung löste in der DDR die Hoffnung auf ein besseres Leben aus. Die Entspannungspolitik zu Beginn der 1970er-Jahre und die KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 steigerten die Zuversicht auf einen Wandel. Das dadurch etablierte Motto „Wandel durch Annäherung“ galt lange als Erfolgsgeschichte, welche heute kritisch hinterfragt werden muss. Des Weiteren schaut das Programm auf die Aktivitäten der Friedens-, Bürger- und Umweltbewegung in der DDR sowie deren friedliches Bemühen um Erleichterungen im „sozialistischen Alltag“. Der Austausch und die Berichte aus den Verbänden regen dazu an über die Lage von Betroffenen des SED-Unrechts zu diskutieren.

Den Veranstaltungsflyer gibt es hier: Flyer Buko 2023 – 03008.

Frau Birgit Neumann-Becker, Beauftragte des Landers Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, eröffnete den 26. Bundeskongress mit einer Ansprache, die vom Rundfunk-Jugendchor des Landesgymnasiums für Musik musikalisch begleitet wurde. Weitere Grußworte folgten vom Oberbürgermeister der Stadt Wernigerode, Tobias Kascha, sowie vom stellvertretenden Direktor der Bundesstiftung Aufarbeitung, Dr. Robert Grünbaum. Die SED-Opferbeauftragte des Deutschen Bundestages, Evelyn Zupke, und der Landtagspräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Gunnar Schellenberger, schlossen sich mit Grußworten an. Das Totengedenken trugen Dr. Nancy Aris, Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, und Dr. Peter Wurschi, Thüringer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, vor. Im Anschluss folgte der Festvortrag der Bürgerrechtlerin Prof. Dr. Irina Scherbakowa, die auch Gründungsmitglied der Menschenrechtsorganisation Memorial in Russland ist und aufgrund des Angriffskrieges Putins auf die Ukraine derzeit im Exil lebt. Prof. Scherbakowa schilderte in sehr eindringlichen Worten, wie sich die aktuelle Stimmungslage in der russischen Gesellschaft darstellt und welche Rolle Putin und sein Weltbild dabei spielen. Nach der Vorstellung von Prof. Scherbakowa unterliegt Putin seiner eigenen Selbstwahrnehmung, die sie mit den markanten und treffenden Worten „Putin ist Russland und ohne Putin kein Russland“ zusammenfasste.

Beim ersten Programmpunkt am Samstag, den 09. September 2023, bot Prof. Dr. Jerzey Kochanowski, Universität Warschau, einen spannenden Tageseinstieg mit einem Vortrag zum Thema „Der sozialistische Alltag in Zeiten der Entspannungspolitik und die Erinnerung daran im heutigen Polen“, welcher mit anschaulichem Bildmaterial während der Präsentation umrahmt wurde. Daran schloss sich das Panel „Repression im Schatten der Entspannungspolitik“ mit drei Kurzvorträge unter der Moderation von Dr. Nancy Aris an. Dr. Tobias, Stasi-Unterlagen-Archiv Berlin, eröffnete das Panel mit dem Thema „Der DDR-Strafvollzug unter Honecker“. Den zweiten Vortrag übernahm Prof. Andreas Maercker von der Universität Zürich mit dem Themenschwerpunkt „Operative Psychologie und Zersetzung von Gegnern der SED-Diktatur“, wobei er auf den Missbrauch der Psychologie und die Einflussnahme von Psychologen auf Menschen in der DDR-Geschichte einging. Rebecca Hernandez Garcia, Archiv der DDR-Opposition der Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., schloss die Vortragsrunde mit ihrem Thema „Von oben nach unten wächst gar nichts – Zeugnisse von Opposition und Widerstand“ ab. Daran anschließend konnten sich die Teilnehmenden des Bundeskongresses in vier parallel stattfindenden Gesprächsforen mit den Vortragenden des Vormittags einteilen. In der Diskussionsmethode „Fishbowl“ wurde es ermöglicht in einer größeren Gruppe differenzierte Diskussionen zu führen. Die Methode besteht aus einem äußeren und inneren Sitzkreis, im kleineren Kreis befinden sich leere Stühle auf denen Platz genommen, eine Frage gestellt und somit die Diskussion geführt wird, der äußere Kreis beobachtet die Diskussion.

Am Nachmittag gab es drei Wahlmöglichkeiten. Eine Exkursion zum ehemaligen Grenzübergang Eckertal (Stapelburg) in der Begleitung von Lothar Engler, Grenzkreis Abbenrode, Sven Müller, Stapelburger Heimat- und Förderverein e.V. sowie Dr. Christian Grenz, Referent der Beauftragten des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und Kristin Meier, Mitarbeiterin der Beauftragten des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Parallel lief der Vortrag „Die Stasi und die Höhlenforschung“ vom Geologen Dr. Friedhart Knolle. Als dritte Wahlmöglichkeit stand eine Führung durch die Plakatausstellung „MENSCHEN RECHT UND FREITHEIT PROTEST. Der Aufstand vom 17. Juni 1953 in Sachsen-Anhalt“ zur Verfügung.

Der späte Nachmittag bot den unterschiedlichen Betroffenen-Verbänden, Aufarbeitungsinitiativen und Interessengruppierungen die Möglichkeit aus ihrer Arbeit zu berichten. In diesen Vorträgen wurde auf Erfolge sowie auf Missstände in der Aufarbeitungsarbeit hingewiesen und es konnte ein guter Überblick über die Tätigkeiten gewonnen werden.

Terminbedingt konnte das Dokumentationszentrum am Sonntag nicht mehr am Bundeskongress teilnehmen. Es fand ein Podiumsgespräch mit verschiedenen Fraktionsvertretern des Deutschen Bundestages statt, die gemeinsam mit den Veranstaltern und Betroffen darüber gesprochen haben, welche Verbesserungsmöglichkeiten es für die Anerkennung der gesundheitlichen Langzeitschäden durch politische Inhaftierung gibt.

Die unterschiedlichen Vorträge, Schilderungen der Verbände und Diskussionen boten erneut einen interessanten Austausch. Buchvorschläge von vortragenden Personen oder die zur Mitnahme der zur Verfügung gestellten Exemplare wurden für die Bibliothek des Dokumentationszentrum aufgenommen.

Wir bedanken uns bei allen Beteiligten für die spannende Veranstaltung sowie gute Begegnungen und einen lebhaften Austausch.

Text und Fotos: Sandra Böhme, Anna Skiba